Mikronationen – Wenn Menschen ihre eigenen Staaten gründen
Stellt euch vor, ihr könntet euren eigenen Staat gründen. Mit eigener Flagge, Hymne, vielleicht sogar einer eigenen Währung. Was für die meisten wie ein verrückter Traum klingt, ist für einige Menschen Realität geworden – willkommen in der faszinierenden Welt der Mikronationen!

Was sind Mikronationen?
Okay, stellt euch vor: Ihr sitzt zu Hause auf eurem Sofa und denkt euch: "Weißt du was? Ab heute ist mein Wohnzimmer ein eigener Staat!" Klingt verrückt? Genau das machen Menschen, die Mikronationen gründen – nur meistens etwas durchdachter.
Mikronationen sind im Grunde selbsternannte Kleinststaaten, die so tun, als wären sie unabhängig, aber von keinem "echten" Land der Welt anerkannt werden. Sie haben oft alles, was ein richtiger Staat auch hat: eine Flagge, eine Hymne, manchmal sogar eigene Pässe und Briefmarken. Nur eben... niemand nimmt sie so richtig ernst. Außer sie selbst natürlich!
Die Gründe, warum Menschen ihre eigenen Nationen ausrufen, sind so bunt wie die Mikronationen selbst: Manche wollen politisch protestieren, andere sehen es als Kunstprojekt, wieder andere träumen einfach von absoluter Freiheit. Und dann gibt es noch die, die einfach Spaß daran haben, sich "König von Irgendwas" nennen zu können.
Sealand – Das berühmteste Beispiel
Das wohl bekannteste Beispiel einer Mikronation ist das Fürstentum Sealand – und was für eine wilde Geschichte das ist!
Kennt jemand von euch Sealand? Das ist eine Mikronation mit einer interessanten Geschichte. http://t.co/SW5cpokJhc
— Christian Neff (@secondtruth) November 21, 2013
Mein Tweet über Sealand, der sogar von der Regierung der Parlamentarischen Monarchie Duckionary, einer anderen Mikronation, geliket wurde. 🤓
Alles begann mit Paddy Roy Bates, einem ehemaligen britischen Army-Major, der in den 1960ern einen Piratensender betrieb. Damals war das BBC-Radioprogramm ziemlich langweilig, und Piratensender spielten die Musik, die die Leute wirklich hören wollten – Beatles, Rolling Stones und all das gute Zeug. Roy hatte zunächst seinen Sender "Radio Essex" auf einer verlassenen Seefestung aus dem Zweiten Weltkrieg namens Knock John Tower installiert. Aber die lag noch in britischen Gewässern, was ihm Ärger mit den Behörden einbrachte.
Also suchte er sich was Besseres: Am 2. September 1967 besetzte er mit seiner Familie eine andere Plattform, Roughs Tower – etwa 13 Kilometer vor der englischen Küste, also außerhalb der damaligen 3-Meilen-Zone britischer Hoheitsgewässer, in internationalen Gewässern. Roy erklärte die Plattform kurzerhand zum unabhängigen Fürstentum Sealand und sich selbst zum Fürsten. Seine Frau Joan wurde Fürstin (als Geburtstagsgeschenk – wie romantisch!).
Ein Jahr später kam es zum ersten großen Zwischenfall: Die britische Regierung hatte kurz zuvor andere verlassene Seefestungen in der Nähe gesprengt und dabei angeblich gedroht, Sealand wäre als nächstes dran. Als dann eines Tages britische Arbeiter kamen, um eine Navigationsboje in der Nähe zu warten, sah die Bates-Familie das als potentielle Bedrohung. Roys Sohn Michael feuerte Warnschüsse ab, um die vermeintlichen Eindringlinge aus Sealands selbsternannten Hoheitsgewässern zu vertreiben. Die Briten zerrten die beiden vor Gericht, aber der Richter urteilte: Die Plattform liegt außerhalb britischer Gewässer, wir sind nicht zuständig. Die Bates werteten das als ersten Sieg und quasi als Anerkennung ihrer Unabhängigkeit.
Der absolute Höhepunkt kam 1978: Ein gewisser Alexander Achenbach, der sich selbst zum "Premierminister" von Sealand ernannt hatte, wollte aus der Plattform ein Luxushotel mit Casino machen. Als Roy das ablehnte, heuerte Achenbach kurzerhand deutsche und niederländische Söldner an! Während Roy und Joan in Österreich waren (wohin Achenbach sie gelockt hatte), stürmten die Söldner die Plattform und nahmen Michael als Geisel.
Aber Michael konnte sich befreien, und zusammen mit seinem Vater, der per Helikopter anrückte und sich abseilte, eroberten sie Sealand zurück – mit Waffen, die sie auf der Plattform gelagert hatten. Achenbach wurde wegen Hochverrats angeklagt und festgehalten. Deutschland schickte tatsächlich einen Diplomaten aus der Londoner Botschaft, um seine Freilassung zu verhandeln. Für die Bates war das praktisch eine diplomatische Anerkennung!
Heute wird Sealand von Michael weitergeführt, nachdem Roy 2012 und Joan 2016 verstorben sind. Obwohl Sealand seit 1987 eigentlich in britischen Gewässern liegt (das UK erweiterte seine Zone von 3 auf 12 Meilen), macht die Familie unbeirrt weiter.
Um das ganze Projekt zu finanzieren, kann man auf der Website des Fürstentums für etwa 30 Pfund (ca. 35 Euro) Lord oder Lady von Sealand werden – für höhere Titel wie Herzog oder Herzogin zahlt man allerdings mehrere hundert Euro. Sogar Ed Sheeran soll Baron von Sealand sein! Diese kreativen Einnahmequellen sind auch nötig, denn die Familie hat über die Jahrzehnte Millionen investiert, um ihren Traum eines eigenen Staates am Leben zu erhalten. Man muss schon Respekt vor so viel Durchhaltevermögen haben!
Für alle, die noch tiefer in diese verrückte Geschichte eintauchen möchten, empfehle ich dieses großartige Video von Skeez:
Die Mikronationen-Community
Es gibt eine erstaunlich aktive und vernetzte Mikronationen-Community weltweit. MicroWiki, eine seit 2005 bestehende Online-Enzyklopädie, dokumentiert mit knapp 39.000 Artikeln die größte internationale Gemeinschaft von Mikronationalisten im Internet. Hier werden nicht nur bestehende Mikronationen dokumentiert, sondern auch deren Geschichte, Kultur und diplomatische Beziehungen untereinander.
Die Bandbreite der Mikronationen ist beeindruckend: Von virtuellen Nationen, die nur im Internet existieren, über Wohnungen und Grundstücke, die zu souveränen Territorien erklärt wurden, bis hin zu aufwendigen Projekten mit eigener Infrastruktur. Manche haben sogar eigene Sportmannschaften, die gegeneinander antreten!
Es gibt auch lebendige Reddit-Communities und Discord-Server, wo sich Mikronationalisten austauschen, diplomatische Beziehungen knüpfen und gemeinsame Projekte planen. Besonders cool: Es finden sogar regelmäßige physische Treffen statt! Von kleinen regionalen Zusammenkünften bis zu internationalen Konferenzen wie der MicroCon – dort treffen sich Vertreter verschiedener Mikronationen persönlich, halten Vorträge und schmieden Allianzen.
Paradoxia – Eine Vision für die Zukunft
Nach all den Jahren, in denen ich mich immer mal wieder mit Mikronationen beschäftigt habe, ist es wohl kein Wunder, dass ich irgendwann auch meine eigene ausgearbeitet habe: die Republik Paradoxia.

Die Grundidee? Eine parlamentarische Republik, die gleichzeitig digital und physisch existiert – komplett auf den Prinzipien Open Source und Dezentralisierung aufgebaut. Stellt euch vor: Die komplette Verfassung auf GitHub, Abstimmungen per Blockchain, und die staatliche Kommunikation und Diplomatie läuft über eigene Fediverse-Instanzen. Die Amtssprachen sind Deutsch und Englisch, die Währung wäre der "Paradox" (PDX) als Kryptowährung, und Staatsbürger wird man durch Übereinstimmung mit den Grundprinzipien und Beiträge zu Open-Source-Projekten.
Die Regierungsstruktur? Die Offene Kammer als Parlament, verschiedene Ministerien (inklusive einem für Kunst und Kultur – für die nationale Meme-Produktion!), und sogar ein Weltrat für Friedenssicherung und Verständigung. Das "Verteidigungsministerium" würde sich übrigens ausschließlich um Cybersicherheit und die jährliche r/place-Kampagne auf Reddit kümmern. Friedlicher geht's nicht!
Als Architekt der Republik (so mein offizieller Titel als Gründer) und Kanzler in Personalunion – typisch für eine Mikronation in der Gründungsphase – habe ich 16 unveränderliche Grundsätze definiert, darunter: Dialog vor Konflikt, Generationengerechtigkeit, ökologisches Gleichgewicht, universelle Barrierefreiheit und Pflege als Menschenrecht.
Ob aus dieser detaillierten Vision jemals mehr wird? Wer weiß! Aber das Ausarbeiten macht nicht nur Spaß, sondern ist auch eine faszinierende Übung in Staatstheorie und Gesellschaftsgestaltung.
Fazit: Mehr als nur Spinnerei
Mikronationen mögen auf den ersten Blick wie Spinnerei wirken, aber sie sind viel mehr: Sie sind Ausdruck menschlicher Kreativität, des Wunsches nach Selbstbestimmung und manchmal auch berechtigter Kritik an bestehenden Systemen. Sie zeigen uns, dass die Konzepte von Staat und Nation nicht in Stein gemeißelt sind, sondern von Menschen erdacht und gestaltet werden.
Ob als ernsthaftes politisches Experiment, künstlerisches Projekt oder einfach als Hobby – Mikronationen bereichern unsere Welt um eine faszinierende Facette. Und wer weiß, vielleicht werdet ihr ja selbst einmal Bürger einer Mikronation – oder gründet sogar eure eigene?
Habt ihr schon mal von anderen Mikronationen gehört? Was haltet ihr von der Idee, einen eigenen Staat zu gründen? Lasst es mich in den Kommentaren wissen!