Meine Lebensphilosophie
Obwohl ich mich durch meine Muskeldystrophie anders durch die Welt bewege, sehe ich darin keinen Grund, das Leben weniger intensiv zu erleben – im Gegenteil.
Ich glaube, dass im Leben vor allem die Qualität der Erfahrungen zählt, nicht ihre Quantität. Diese Überzeugung liegt tief in meinem Wesen, das auch durch meine Lebenssituation und Erziehung geprägt wurde. Obwohl ich mich durch meine Muskeldystrophie anders durch die Welt bewege, sehe ich darin keinen Grund, das Leben weniger intensiv zu erleben – im Gegenteil.
Bewusstheit und Präsenz

Im Kern meiner Überzeugungen steht die Idee der Bewusstheit. Für mich bedeutet das, wirklich im Moment zu sein und jede Erfahrung voll wahrzunehmen. Ich beobachte, wie viele Menschen durch ihr Leben hetzen, ständig in Gedanken bei der Vergangenheit oder Zukunft, während sie die Gegenwart verpassen.
Diese Konzentration auf den gegenwärtigen Moment hat für mich auch eine tiefere Dimension. In unserer Gesellschaft, die ständig nach dem Nächsten, Besseren, Mehr strebt, ist das bewusste Verweilen im Jetzt für mich eine bewusste Entscheidung. Es ist die Erkenntnis, dass dieser Moment genug ist, dass er nicht optimiert oder überwunden werden muss.
Paradoxerweise hat meine körperliche Situation mir geholfen, diese innere Freiheit zu entwickeln, die ich nicht mehr missen möchte. Denn wenn äußere Bewegung eingeschränkt ist, kann die Beweglichkeit des Geistes wachsen. Ich habe gelernt, in kleinen Momenten Unendlichkeit zu entdecken und durch Blicke und Worte Verbindungen zu knüpfen. Dabei bin ich mir bewusst, dass meine Perspektive auch von den Privilegien geprägt ist, die ich trotz meiner Einschränkungen genieße – ein unterstützendes Umfeld, das mir diese Reflexion und Freiheit überhaupt erst ermöglicht.
Humor und Gelassenheit

Humor ist für mich ein essentieller Teil des Lebens. Meine Palette reicht dabei von Wortspielen über Ironie und Satire bis hin zu pechschwarzem Humor – ich bin für alles zu haben. Gerne kann ich auch kindlich verspielt sein oder Quatsch machen, was bestimmt auch durch meine Junggebliebenheit kommt.
Als Millennial fühle ich mich oft mit der Gen Z verbunden und verstehe viele ihre Sprache, ihre Memes und ihren "Vibe". Diese Generationenoffenheit hält mich geistig flexibel und offen für neue Perspektiven – auch wenn ich zugeben muss, dass ich manchmal unfreiwillig meine "boomerigen" Momente habe.
Diese Mischung aus Humor und Gelassenheit, Junggebliebenheit und gelegentlicher "Altersweisheit" gehört einfach zu mir: Ich nehme das Leben ernst genug, um es verantwortungsvoll zu gestalten, aber nicht so ernst, dass ich die Leichtigkeit verliere. Diese Balance ermöglicht es mir, auch in schwierigen Momenten besonnen zu bleiben.
Beziehungen und Verbindungen

Bei zwischenmenschlichen Beziehungen glaube ich an das Gleichgewicht zwischen Geben und Nehmen. Jede bedeutungsvolle Verbindung basiert für mich auf gegenseitigem Austausch, auf ehrlicher Kommunikation und dem Willen, den anderen wirklich zu sehen.
In der Liebe bin ich ein sehr gefühlvoller und einfühlsamer Mensch, dem ehrliche und tiefgründige Gespräche wichtig sind. Ich weiß besonders die kleinen, intimen Momente zu schätzen und liebe es zu kuscheln und zu küssen, die Nähe des anderen Menschen zu spüren. Dabei liegt mir gegenseitiges spielerisches Necken genau so am Herzen wie alles andere, was Schmetterlinge im Bauch verursacht.
Was Intimität betrifft: Ich sehe sie als Möglichkeit, eine tiefe Verbindung zu erleben – eine Verbindung, die über das Körperliche hinausgeht, auch wenn der Körper das Medium ist. Für mich ist Sexualität nicht durch Leistung oder Geschwindigkeit definiert, sondern durch Intensität des Erlebens, durch bewusstes Wahrnehmen jeder Berührung, jedes Blicks, jedes Atemzugs.
Träumerische Seele und klarer Geist

Ich bezeichne mich nicht als "spirituell" im klassischen Sinne. Meine Sicht ist eher pragmatisch – ich interessiere mich primär für das, was real erfahrbar ist. Wenn ich Musik höre, Bässe in meinem Körper spüre, die Farben eines Sonnenuntergangs betrachte oder mich in ein spannendes Computerspiel vertiefe – das sind für mich greifbare Erlebnisse.
Gleichzeitig faszinieren mich tiefgründige Konzepte und Philosophien, gerade wenn sie praktische Auswirkungen auf das Erleben haben. Besonders die Aspekte philosophischer und religiöser Strömungen aus Indien interessieren mich. Der ganzheitliche Ansatz und die Sichtweise, den Körper als Tempel zu betrachten, resonieren mit mir.
Diese Balance zwischen Pragmatismus und Tiefgründigkeit findet sich auch in meiner Musikvorliebe wieder, von energiegeladenem Trance und Drum and Bass bis zu ruhigem Ambient und Mellow Jazz. Das Leben ist für mich ein Spektrum von Erfahrungen, von wild bis meditativ, und ich nehme beide Extreme gerne an.
Der Sinn des Lebens

Ich glaube nicht an einen vorgegebenen Sinn des Lebens. Für mich muss jeder Mensch seinem Leben selbst Bedeutung geben. Meine Bedeutung finde ich in authentischen Begegnungen, in kreativen Momenten, in meinen Hobbys und in der ständigen Entdeckung neuer Perspektiven. Ob ich in Musik oder spannende Filme eintauche, durch virtuelle Welten reise, programmiere oder Geschichten schreibe – diese Leidenschaften bereichern mein Leben und geben mir Erfüllung.
Auch haben meine körperlichen Einschränkungen meine Charakterentwicklung beeinflusst und mich gelehrt, anders zu denken. So wurden mir bestimmte Perspektiven eröffnet, z.B. dass wahre Freiheit im Kopf und im Herzen beginnt. Ich definiere mich nicht primär über das, was ich körperlich tun kann oder nicht kann, sondern über meine Gedanken, meine Gefühle, meine Interessen und die Art, wie ich mit anderen in Beziehung trete.
Am Ende glaube ich, dass ein erfülltes Leben nicht von äußeren Umständen abhängt, sondern von der inneren Haltung. Es geht nicht darum, was uns widerfährt, sondern wie wir es wahrnehmen und welche Bedeutung wir ihm geben.
Religion und Leben nach dem Tod

Ich sehe mich nicht als religiös, bin aber auch nicht gänzlich dem Glauben an eine höhere Macht abgeneigt. Durch meine pragmatische Einstellung identifiziere ich mich mit der agnostischen Weltanschauung mit leichter Tendenz zum Atheismus.
Aus diesem Grund glaube ich nicht überzeugt an ein Leben nach dem Tod, sehe es aber trotzdem als möglich an und hoffe, dass es vielleicht doch eines gibt. Ich bin ganz offen für jedwede Vorstellung, wie dieses aussehen mag.
Eine gute Freundin von mir meinte einmal, ich sei eine "alte Seele", die schon mehrere frühere Leben gelebt haben muss. Sie kam darauf, weil ich so genaue Vorstellungen von Liebe, Partnerschaft und Intimität habe, obwohl mir einige persönliche Erfahrungen in diesen Bereichen (zumindest in diesem Leben) noch fehlen. So etwas könnte beispielsweise ein Indiz für mehrere Leben sein.